In GUZ I trust !

Es war im Februar des kalten Winters 1985, als im Bahnhofbuffet Romans-
horn das Schicksal beschloss, GUZ in mein Leben treten zu lassen. Der
Grund, weshalb ich an diesem frühen Samstagabend in einem gottver-
lassenen Nest am Bodensee unter depressiven Trinkern Zeit totschlug,
ist mir entfallen; wie ich jedenfalls in einen dünnen Milchkaffee starrend
so dasitze, kommt eine merkwürdige Gestalt zur Türe herein, die sich an
meinen Tisch setzt und eines dieser mühseligen Gespräche über Musik
anfängt. Wahrscheinlich muß ich so ausgesehen haben, als würde mich
Musik interessieren. Das Gespräch gipfelte darin, dass mir der der Typ
eine Kassette andrehte, von der er nicht nur behauptete, er hätte sie
selbst aufgenommen und alle Instrumente gespielt, sondern auch noch
anmassend unbescheiden betonte, dass die Musik 'super' wäre. Es
kostete mich sieben Franken, die Kassette zu erstehen und mir damit
wieder freie Sicht in den Milchkaffee zu verschaffen.

Einige Wochen später fiel mir zufällig zu Hause beim Aufräumen die
Kassette wieder in die Hände und ich legte sie zum Abwaschen in
den Rekorder. Es war, wie ich heute weiss, eines der wenigen Er-
eignisse in meinem Leben, die mein Dasein radikal verändern sollten.
Die Musik war von grandioser Verschrobenheit, rumplig gespielt,
rücksichtslos phantasievoll, erhaben kindisch und mit einer WC-
Bürste aufgenommen. Ich war begeistert. Dieser Typ schien sich
nicht nur keinen Deut um die Regeln zu scheren, die üblicherweise
in Bahnhofsbuffets gelten, sondern auch in der Musik eine Rolle
spielen. Es war wie Punk mit anderen Mitteln. Wenn ich mir das
heute überlege, war es vielleicht nur so, daß dieser Herr GUZ
einfach versuchte, Musik nachzu machen und im debakulösen
Scheitern dieses Versuchs entstand plötzlich eine eigene, grosse,
selber erfundene Welt. Sie war bevölkert mit viereckigen Frauen,
schlafenden Füssen, sinnlos herumballernden Cowboys, Frauenfelder
Frauenhelden, Kiffern am See; mit Typen, die keine Freundin kriegen,
am Bahnhof rumstehen und sich erzählen, dass ihnen nichts einfällt.
Kurz: Eine Welt, die genauso von diesem pubertärem Schlamassel
durchdrungen war wie meine eigene. Und die Musik sagte mir:
Unternimm etwas dagegen. Ich schmiss die dreckigen Teller an
die Wand, zündete die Wohnung an und beschloss, GUZ-Fan
zu werden.

Das ist bis heute, mehr als zehn Jahre später, so geblieben. Zwar
werfe ich nicht mehr Teller an Wände oder zünde Wohnungen an
und obwohl ich äusserlich den Anschein erwecken mag, ein ver-
nünftiges Mitglied der Gesellschaft geworden zu sein, ist der Schla-
massel natürlich genau derselbe geblieben. Denn der Schlamassel
hört nie auf. Genau wie ich selber im Laufe der Zeit einige Dinge
begreifen lernen musste, weiss GUZ mittlerweile sehr genau, wie
Musik funktioniert. Ich würde sogar behaupten, GUZ ist ein ordent-
licher Schlagzeuger, prima Gitarrist und klasse Sänger in profan
musikhandwerklichem Sinn geworden. Hören sie sich als Beispiel
die Nummer 'Musik' auf dieser CD an: Das Stück ist ein Pracht-
exemplar an Ueberschwung, Euphorie und musikalischer Phantasie
-man achte etwa auf den liebevoll präzis ausgepfriemelten Fenderhall
auf der Rhythmusgitarre- gleichzeitig beschwert sich dieser feine
Herr GUZ krakelend, wie sehr ihm doch "Musik auf den Sack geht".
Nicht nur, dass sich der Text an der Musik verrät, sondern hier wird
im weiteren ganz explizit Musikgeschichte mitgedacht, ihre für GUZ
zentralen ästhetischen Momente (also Childish, New Wave, R&B,
Volksmusiken ect.) musikalisch formuliert und damit letztlich die Be-
dingungen, unter denen GUZ arbeitet: Ein einsamer Spinner hockt
in seinem dunklen Keller vor einem Aufnahmegerät und erfindet sich
eine eigene, kleine Welt aus Musik, die dadurch ihre wunderbare
Grösse bekommt, indem die andere Welt und die andere Musik
ausserhalb dieses Spinner -Kellers verschluckt und zum Verschwin-
den gebracht wird. Das ist zwar ein schwacher Trost, doch er hat
mich am Leben erhalten und aber auch Spass gemacht, gestern wie
heute. Deshalb glaube ich an GUZ - und wer nicht will, der muss.

Rämi Hämorrid
 
 
 
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